Ich wohne direkt hinter einer Waldorf-Grundschule. Dort ist anscheinend von 9 bis 12 Uhr große Pause. Oder sie haben Gleitzeiten. Vielleicht stellen sie den Kindern auch frei, wann sie zum Unterricht wollen und wann sie lieber draußen spielen möchten. Jedenfalls schallt den ganzen Vormittag unglaublich hohes, schrilles Kindergeschrei zu mir herüber. Es klingt wie damals die künstlich hochgepitchten Stimmen der Techno-Schlager, beziehungsweise wie die heutige Klingeltonwerbung in echt.

Gestern wurde ich nach einer durchzechten Nacht rüde von einem Schulmädchenchor geweckt. An meine Ohren drang der Schlachtruf: „Manuel ist ein Arschloch! Manuel ist ein Arschloch!“ – Moment mal! Das ist mein Name! Das geht ja nun wohl eindeutig zu weit!

Erzürnt machte ich mich auf den Weg zum Balkon, von dem ich den Schulhof überblicken konnte. Ich überlegte noch, ob ich eine Schimpftirade loslassen könne oder ob ich einfach beleidigt mit dem Fuß aufstampfen solle. Ich würde ganz kindisch und beleidigt „Ach, Menno! Ihr seid soooooo do-of!“ rufen und mich wieder ins Bett verziehen. Ich könnte auch angesichts der drucklosen Waldorf-Pädagogik versuchen den Konflikt gemeinsam auszudiskutieren.

Stattdessen stellte ich mich auf den Balkon, plusterte mich auf und rief mit lauter Stimme: „Selber! Selber! Lachen ja die Kälber!“

Die Reaktion? Die Schülerinnen ließen von ihrem Mitschüler ab. Sie meinten gar nicht mich, sondern einen Jungen mit dem gleichen Namen. Dann liefen sie aufgeregt zu ihrer Lehrerin und fragten diese:

„Frau Lehrerin, was macht denn der nackte Mann da oben?“