Gelegenheiten muss man sein lassen

Einige von Euch werden den Text schon kennen, aber mit dem Wechsel zu WordPress ging er kurzzeitig offline, also hier ist er wieder, viel Spaß:

Ich bin ein schlechter Flirt. Am Kölner Bahnhof sitze ich mangels Alternativmöglichkeiten im Starbucks-Café an der Glasscheibe und starre auf die Taxischlange am Bahnhofsvorplatz, während ich die Wartezeit auf meinen Zug mit einer nach Nichts schmeckenden lauwarmen heißen Schokolade verbringe. Mein Blick schweift auf zwei junge Frauen, die gerade etwas am Schalter bestellen. Die eine wirklich umwerfend schön mit einem Wahnsinns-Hintern. Ich werfe nur einen kurzen Blick hinüber, ich will ja nicht erwischt werden, wie ich auf den Po schaue, wer will das schon. Gut, ich hätte ihnen auch lächelnd ins Gesicht schauen können, aber in solchen Situationen nachzudenken ist nicht meine Stärke.

So etwas passiert ja öfters – dass man irgendwo sehr gut aussehende Frauen sieht, ist ja nichts Außergewöhnliches. Nur meist – bei mir zumindest – ist es dann so, dass man diese Frauen kurz sieht, sie einen nicht wahrnehmen und kurz drauf verschwunden sind.

Also wende ich mich wieder meinem Getränk zu und – Heureka, wer setzt sich neben mich? Ganz genau, die beiden, die mit dem Hintern direkt neben mich, die andere eins weiter. Ich gehe natürlich ganz souverän mit der Situation um und schaue stur geradeaus aus dem Fenster. Warum habe ich mir auch keine Beschäftigung mitgenommen, was zu lesen, eine Zeitung oder – warum bin ich Nichtraucher?

Die beiden unterhalten sich in einer mir fremden Sprache. Das wäre doch die Gelegenheit, ein Gespräch anzufangen: „Na wo kommt ihr denn her?“, „Welche Sprache ist das denn, die klingt so cool“, oder „Soll ich Euch deutsch beibringen?“ Stattdessen versuche ich nur irgendetwas von dem, was sie sagen, zu verstehen. Wahrscheinlich reden sie gerade über mich: „Och ist der süß“, „Warum spricht der uns nicht an?“, „Wir sind jung, wild und willig, warum nimmt er uns nicht hier und jetzt?“ oder wahrscheinlich „Was ist denn das für ein arroganter Arsch?“.

Nach einer Weile, möchte die nicht ganz so super wie die andere Aussehende sich eine Zigarette anzünden, doch ihr Feuerzeug ist alle. Das wäre DIE Gelegenheit zur Kontaktaufnahme – wenn man Raucher wäre. Die Hübschere versucht sich auch an dem leeren Feuerzeug und schaut dann mich an. Und ich? Ich zucke nur mitleidig mit den Schultern. Verdammt – warum bin ich Nichtraucher?

Dann steht die Raucherin auf und versucht sich von woanders her Feuer zu besorgen, ich bin also ganz alleine mit der Sexbombe. „Sprich sie an! Sprich sie an! Sprich! Sie! an!“ versucht mein männliches Gehirn meinem Gehirn zu sagen. Doch ich bleibe stumm. Das Unglaubliche passiert: Sie spricht mich an.

Auf Englisch fragt sie mich, ob ich wüsste, wo man denn hier eine Reisetasche bekommen könne, sie würden heute in die Türkei zurückfliegen und hätten noch so viele Sachen im Hotelzimmer. Nun, da Sonntag ist wäre das ja voll die gute Einleitung, um ein langes Gespräch über Ladenöffnungszeiten und andere Gewohnheiten in Deutschland und der Türkei zu führen, doch ich sage nur „nein“. Dabei wäre das doch die Gelegenheit gewesen, aufopferungsvoll nach einer Tasche zu suchen, die beiden vielleicht mit mir nach Hause zu nehmen und ihnen eine gebrauchte Tasche aus meinem Keller anzubieten, dann auf ihr Hotelzimmer zu gehen und gemeinsam zu packen und noch viel mehr, und so weiter und so fort – doch als die Kollegin der anderen nach erfolgreicher Feuermission zurückkommt, fällt mir nur ein, dass sie doch eine Tasche klauen könnten, oder Plastiktüten nehmen sollen.

Die beiden finden mich lustig und fragen mich, wie ich heiße. Ich muss wohl nicht bemerken, dass ich wiederum die Gelegenheit auslasse, um zurückzufragen, wie sie denn heißen. Und dann sagt die scharfe Südländerin noch, Plastiktüten gingen nicht, wie sähe das denn aus, sie müssten dann 6 Stück oder so mit sich herumschleppen, „wir hätten lieber Deine große Reisetasche da“. Und anstatt zu sagen, „Na versuch doch, sie dir zu holen“ und mir dann mit ihr eine wilde Keilerei mit Klamotten vom Leib ziehen und so zu liefern, sage ich nur „Nein, die brauche ich unbedingt.“

Nach dutzenden verpassten Chancen begebe ich mich zu meinem Bahngleis und warte auf den Zug. Dabei fällt mir ein, dass ich ja in meiner großen Reisetasche eine vollkommen leere kleinere Reisetasche mit dabei habe. Die hätte ich den beiden ja verkaufen können. Oder noch besser – ausleihen! Dann müssten wir auch Adressen austauschen und man könnte sich mal besuchen und und und und und und da kommt mein Zug, ich steige ein und werde die beiden in meinem ganzen Leben nie wieder sehen.

1 Kommentar

  1. UK

    Des ischd traurig. Geht mir aber auch oft so. Wir schizoiden Menschen ham’s halt schwer.

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