Haiti braucht jetzt Alles, außer Kerzen!


Nicht nur bei StudiVZ, sondern auch bei Facebook gibt es Gruppen und ich werde mit Gruppeneinladungen genervt. Gerade eben bekam ich eine, die mich sehr verärgert hat. Die Gruppe hieß:

„Jeder Fan bedeutet eine Kerze für die Opfer in Haiti. Mach mit!“ Werde ein Fan!

Klar machen da viele mit und freuen sich, weil sie – im Schatten dieser Tragödie – ihr Gewissen beruhigt haben. Aber mit Verlaub: Was für eine Scheiße! Was sollen denn die Opfer mit Kerzen anfangen?

Kurz gesagt: Verdammte Religion! Spendet lieber. Wenn Euer Gott allmächtig ist, hat er den ganzen Mist verursacht.

Klar, jetzt heißt es: „Das kann man so doch nicht sagen.“ und natürlich ist das vereinfacht gedacht. Klar muss man auch bedenken, dass gerade die Kirchen zu den Organisationen gehören, die am meisten spenden, wenn Katastrophen auftreten. Allerdings sollte man auch mal bedenken, dass gerade bei solchen Katastrophen keine Religion ein vernünftiges Erklärungsmodell hat, bzw. jeder Versuch meist im Desaster endet.

Zum Beispiel bei dem evangelikalen TV-Prediger Pat Robertson, der schon nach dem 11. September dummen Unfug sprach, als er das Leben in Sünde für den Terroranschlag verantwortlich machte. Oder als er legale Abtreibungen die Schuld an Hurrikan Katrina gab. Er sagte, Haiti habe vor 200 Jahren einen Pakt mit dem Teufel geschlossen und das hätten sie nun davon. „Vergelt’s Gott.“ So so – hat Gott es denn nötig sich zu rächen?

Raymond Joseph, der Botschafter Haitis, hat dann mal kurz klar gestellt, dass aufgrund der Revolution in Haiti, als sich Haiti gegen Frankreich gewandt hat, die USA Louisiana für 15 Millionen Dollar, 3 cents pro Morgen (4047qm) bekommen konnten. Und Südamerika befreit wurde. Dass also der „Pakt mit dem Teufel“ Amerika das gemacht hat, was es ist.

Oder man versucht herum zu glucksen, wie es der Erzbischof von York, John Sentamu macht, wenn er vom BBC Reporter direkt gefragt wird: „Warum hat Gott dies geschehen lassen?“

Hier ist das ganze Interview – es lohnt sich

Interviewer: But we are told two things, aren’t we? We’re told that God is merciful and all-powerful.
Erzbischof: Yes.
Interviewer: How can those be reconciled with what happens to a country like Haiti at a time like this?
Erzbischof: Well, for the Christian, you’ve got to see the God who is very much like Christ-like, and in him there is no un-Christ-likeness. Ah, you know, St. Augustine of Hippo said, he lies in a manger but contains the world, he feeds at the breast but also feeds the angels, is wrapped in swaddling clothes but vests us with immortality, you see.
Interviewer: I’m not sure I understand that answer, to be perfectly frank with you. I don’t quite see what it has to do with the question.

Für mich sind solche Katastrophen nicht unerklärlich (Die karibische Platte, die gegen die Nordamerikanische Platte stößt), für mich ist Religion unerklärlich. Wenn Gott alles kann und alles nach seinem Willen geschaffen hat und die Geschicke lenkt und ein gütiger und gnädiger Gott ist, dann macht er nicht so einen Quatsch. Ganz ehrlich, wenn jetzt einer kommt mit „Gottes Wege sind unergründlich“, dann ist das auch nicht besser als Pat Robertson.

Das Erdbeben auf Haiti war eine schlimme Naturkatastrophe. Das ist Alles. Jeder Erklärungsversuch einer Kirche ist eine Beleidigung an die Opfer.

Das einzige, was ich verstehen kann, ist dass der Glaube Trost spenden kann. Er macht zwar nicht viel Sinn, aber komischerweise wenden sich nach Tragödien und Katastrophen, persönlichen Schicksalsschlägen etc. viele an Gott, anstatt – was nachvollziehbarer und meiner Meinung nach intelligenter wäre – von ihm wegzukommen.

Wieso ist es Menschen möglich, von einem Wunder zu sprechen, wenn jemand diese Katastrophe überlebt? „Gott muss auf mich aufgepasst haben, es ist ein Wunder, dass ich überlebt habe!“ – und die, die gestorben sind, auf die wurde nicht aufgepasst? Ist das nicht ein bisschen eingebildet? Für mich sind Einbildung und Religion eigentlich auch Synonyme.

22 Kommentare

  1. Asmodeus

    Hast du dich schon einmal differenziert mit „Gottesglaube“ auseinander gesetzt?

    • ui.

      @Asmodeus: ja.

  2. Bianca

    Für mich haben Naturkatastrophen und Religion auch nichts gemein! Die sollten Naturwissenschaftler interviewen und keine Kirchenfuzzis! Und obwohl ich christlich aufgewachsen bin, kann ich Manuels Gedankengänge sehr gut verstehen.

    So etwas passiert, wer es überlebt, hatte Glück gehabt, manchmal war es vielleicht auch ein kleines Wunder, aber angesichts der hohen Todeszahl kann man sicherlich nicht sagen, dass Gott seine schützende Hand über die, die überlebt haben, gehalten hat. Ist ja nicht so, dass nur böse Menschen in Haiti ums Leben kamen sondern v. a. jede Menge Unschuldige.

    Ich beneide alle Menschen, die in solchen Situationen Trost im Glauben finden, ich könnte das nicht, obwohl ich an Gott glaube. Aber nicht daran, dass er unser Leben bestimmt, denn ich habe gemerkt, Rückschläge nehmen die richtigen „Hardcore-Christen“ immer mit dem Argument „Es ist SEIN Wille.“ hin, statt was zu ändern. Aber das ist wieder ein anderes Thema…

    Klar wäre ich froh, wenn ich leben dürfte, aber ich wäre angesichts der anderen Toten sehr verbittert, zornig und ohnmächtig und würde sicherlich nicht sagen: „Gott ist so gnädig, er hat MICH gerettet.“ Als ob mein Leben mehr Wert hätte als das der vielen Anderen, die es nicht geschafft haben. Naturkatastrophen selektieren mehr oder minder völlig willkürlich, wer am falschen Ort ist, hat eben Pech gehabt. Egal ob man Sünder ist oder der beste Mensch, den man sich vorstellen könnte. Wenn jemand sagt, dass es Gottes Werk war, zieht er seinen ach so gütigen Gott doch selbst ins Lächerliche, ohne es zu merken, denn ein gütiger Gott reißt nicht Tausende, Millionen von unschuldigen Kindern in den Tod. Meine Meinung, und ich lasse mich nicht auf religiöse Diskussionen hier ein, falls jemand jetzt anfangen will.

    Sinnvoller sind Gruppen wie „Wenn jeder einen Euro spendet, könnten wir ein bisschen Geld zusammenkratzen, das den Opfern helfen kann.“. Wenn dann 1000 Leute mitmachen, ist das doch auch schon was. Ein Euro ist auch nicht so viel aufwändiger als ein Klick, das kann sich jeder arme Student mal leisten. (Da schließe ich mich ein.)

    Aber prinzipiell verurteile ich solche Gruppen nicht, da die Leute halt dadurch ihrem Mitgefühl Ausdruck verleihen wollen, ob’s hilft oder nicht, aber an und für sich bin ich froh, dass wir in einem Land leben, in dem man sich Mitgefühl noch leisten kann, weil solche Katastrophen für einen selbst unfassbar und nahezu irreal sind.

    Wobei ich sagen muss, mal ehrlich – man sieht es, man ist traurig für 5 Minuten, man zappt weiter, man vergisst es. Abgesehen davon, dass es ständig in den Medien zu sehen ist und man um das Thema gar nicht herumkommt, steht bei keinem von uns, der nicht persönlich von dieser Katastrophe betroffen ist (sprich jemanden dort verloren hat oder selbst dabei war), die Welt still sondern dreht sich weiter und wir konzentrieren uns wieder nach dem virtuellen Anzünden einer Kerze auf unsere eigenen im Vergleich natürlich banalen Problemchen. Und wieder schließe ich mich mit ein, bevor hier einer motzt, dass ich unfair gegenüber Anderen bin.

  3. nilz

    ich fand die facebookgruppe auch ärgerlich. nahezu lächerlich. wie man auf sowas kommt, das verstehe ich nicht.

    aber wiesst du was ich auch nicht verstehe: warum du seit einiger zeit so massivstes religionsbashing betreibst. ich mag deine improlieder, ich finde das hatte mal alles etwas mehr leichtigkeit hier. jetzt muss man immer angst haben einen artikel zu lesen, der mit einem beliebigen thema xy beginnt, dann aber schnell (und manchmal auch sehr konstruiert) die kurve kriegt zum religionsbashing, wie doof die alle seien etc. pp.

    versteh mich nicht falsch: diese evangelikalen, das sind fundamentalisten, spackos. leute wie pat robertson scharlatane, die diejenigen ausnehmen, die eh nix mehr haben. zum kotzen. aber ich denke deine leser haben nun alle begriffen, wie du zu religion im allgemeinen stehst (und das du bei diesem thema auch sehr gerne über einen kamm scherst) und du kannst nun weitermachen. denn, und das ist das eigentlich doofe an der sache, eine diskussion mit dir findet nicht statt.

    nun, ich bin kein besonders gläubiger christ, ich halte glaube sogar für eine ziemlich intime angelegenheit. ich kann dir gerne auf jedem blog der welt mein erstes mal schildern, aber etwas über glaube zu schreiben fällt mir irrsinnig schwer. ich halte das für ein diffiziles, gesellschaftliches konstrukt, mit so vielen ecken und enden, das kann man nicht einfach so abbürsten. und irgendwas davon ist sicher auch in mir hängen geblieben auf irgendeine art. naja, das geht jetzt schon zu weit.

    was ich sagen will ist: geh es doch bitte, bitte etwas relaxter an. es muss nicht in jedem post über religion stehen, was gläubige für schwachmaten seien, wie unlogisch gott sei etc. pp. das dürften die meisten selber wissen.

    ahoi! 🙂

    • ui.

      @Nilz: Es war mir halt gestern ein Bedürfnis den Artikel zu schreiben. Die zeitliche Nähe zu dem Artikel mit dem Evangelikalen Priester – die war nicht beabsichtigt. Den Artikel fand ich im übrigen leicht und hielt ihn nicht für „Religionsbashing“ (https://uiuiuiuiuiuiui.de/evangelikaler-prediger-weckt-nigerianischen-priester-von-den-toten-auf)

      Generell aber ist es nun mal so, dass auf diesem lustigen Blog auch ab und an ernste Themen stehen, das war schon immer so, vor allem wenn es um die Themen Esoterik, Ausländerfeindlichkeit, Religion geht, bekomme ich halt oft einen Kamm. Selbst die von Dir gemochten Improlieder haben manchmal (selten) ernst Ansätze.

      Aber spätestens morgen poste ich wieder etwas, was keinen verärgert 😉

  4. MA

    Amen!

    Kerze lässt sich auch mit Gebet ersetzen..

    • ui.

      @MA: Da hab ich jetzt 2 mal drüberlesen müssen, um das zu verstehen, jetzt hab ich es aber: stimmt, Du hast natürlich tota Recht! „Betet für Haiti“ wäre genauso nutzlos.

  5. beisasse

    aber irgendwie beschäftigt dich das doch, oder? diese religionssache. eine hass-faszination? – „das ist alles“ halte ich aber auch für eine angemessene haltung. es ist tragisch, falschen und fragwürdigen trost zu bekommen.

  6. ui.

    @beiasse: Ich mag die Einstellung nicht, dass man wenn man nich gläubig ist und darlegt, warum und was man an Religionen nicht gut findet, es oft schnell als Hass gegen Religion ausgelegt wird.

    Dabei finde ich gerade dass Religionen oft mit der Emotion Hass ihre Konflikte führen.

  7. del_weidler

    Die Kirche kann ja einfach sagen „Gott hatte die Haitianer so lieb, dass er sie alle auf einmal zu sich rufen wollte. Er hat aber ein paar übrig gelassen, um den Dreck wegzuräumen.“

    Ansonsten verstrickt sich die Kirche natürlich augenblicklich in ihren zahllosen Paradoxien, wenn sie versucht, einen realen Vorfall wie diesen mit ihrem Weltbild zu erklären.
    Sie müsste sich neu erfinden und ihren ganzen reaktionären Altmüll über Bord werfen, um für einen aufgeklärten Menschen etwas anderes als einen scheinheiligen esoterischen Mummenschanz ungeahnter Ausmaße darzustellen.

    Der erste Fehler war ja schon, Gott im Himmel und nicht in die Erde anzusiedeln.

  8. as

    Du sprichst mir voll aus der Seele. Ich bin im letzen Jahr öfters mit einem deutschen Christ und einem türkischen Moslem mittags essen gegangen. Beide konnten es überhaupt nicht verstehen, wie so ich nicht an einen Gott glaube – teils mit Argumenten wie „denk doch mal nach“ 😛 Waren aber trotzdem sehr interessante Diskussionen, habe das jedes mal richtig genossen. Schade, dass es sowas nicht öfter gibt.

    • ui.

      @as: Komisch, dass dann Dein Nichtglaube angeblich falscher ist, als der des anderen, schließlich glauben die ja auch an unterschiedlice Dinge. Hast Du mal den Christen gefragt, was er schlimmer findet, einen Atheisten oder Moslem? Oder den Moslem gefragt, ob er Christen oder Atheisten schlimmer findet?

  9. del_weidler

    Moslems und Christen glauben immerhin an den selben Gott. Wenn sie auch davon ausgehen, dass jeweils nur sie den richtigen Weg haben, das zu tun.
    Ein Atheist sollte da natürlich der Schlimmere sein.

    Ehrlich gesagt fallen mir Atheisten weit öfter negativ auf als Gläubige, weil sie sich wesentlich öfter als diese zu unermüdlicher Missionierungsarbeit berufen fühlen. Und über die Dummheit der Religionen lachen, dabei aber vergessen, selbst ziemlich dumm zu sein.

    • ui.

      @del_weidler: Dir kann man es aber auch nicht Recht machen.

  10. Asmodeus

    Ich weiß nicht warum eine Religion „schlimmer“ als eine andere sein soll.
    Alleine die Frage „Findest du Moslems oder Christen schlimmer?“ halte ich für Dummfug.

    • ui.

      @Asmodeus: „Findest du Moslems oder Christen schlimmer?” hat ja auch niemand gefragt. Geh noch mal ein paar Kommentare zurück und lies nochmal.

  11. as

    @ui beide sehen das auch so, dass sie an den selben Gott glauben. Im Islam sind Christen auch keine Ungläubigen, sie haben halt nur einen falschen, nicht perfekten Weg zu Gott.

    • ui.

      @as: Und wieso sollte nicht an Gott zu glauben, schlimmer sein, als Schwein zu Essen und Jesus für Gottes Sohn zu halten?

  12. Kerstin

    ob gläubig oder nicht, kerzen bringen nun wirklich nichts. helfen, beten, aber was zur hölle bringen den opfern in haiti lausige kerzen?

    • ui.

      @Kerstin: Aber Kerstin, Beten hilft genauso wenig wie Kerzen. Beten ist nur as eigene Gewissen zu beruhigen.

  13. as

    @ui >> Und wieso sollte nicht an Gott zu glauben, schlimmer sein, als Schwein zu Essen und Jesus für Gottes Sohn zu halten?

    Werd das mal ansprechen 🙂

  14. Michael K.

    Der Anfang klingt gut, Kerzen brauchen die wirklich nicht …
    Aber der daran angehängte antireligiöse Kreuzzug läßt vermuten, daß diese Standardpolemik der eigentlich Anlaß des Textes war.
    Schade … die Werbung für diesen Text war irreführend.

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