Erst einmal muss ich sagen, dass auch mir das Fußballspiel gegen England Spaß gemacht hat, obwohl ich großer Großbritannien-Fan bin (weil ich als Kind dort 3 Jahre gelebt habe) und trotz des Tores für England, das nicht gezählt wurde.
Ich freute mich für die deutsche Mannschaft, weil sie schöne Tore geschossen haben und es ein spannendes und dennoch recht faires Spiel war. Die Freude war aber schnell getrübt, als ich nach dem Spiel an einer Zeitungsbox vorbeilief und dort die „Bild am Sonntag“-Schlagzeile des Tages las:
„jubeln, chillen, England grillen!“
[random]
Aua. Grillen? Also verbrennen? Ich weiß ja nicht, welcher Rechtsaußen der ohnehin fragwürdigen Redaktion sich das ausgedacht hat, aber mehr als geschmacklos ist das schon.
Dabei wird doch immer gesagt, dass die englische Presse vor solchen Spielen mit den Säbeln rasselt und alte Weltkriegsressentiments wieder ausgräbt? Wieso wird das eigentlich kritisiert? Hat nicht die britische Presse alles Recht uns konsequent und ständig darauf hinzuweisen, dass Deutschland vor gar nicht allzu langer Zeit auf großer faschistischer rassistischer Weltausrottungstour war? Ich denke schon, wer hat den letztendlich Deutschland von Hitler befreit? Deutschland selbst, war das jedenfalls nicht, Deutschland fand Hitler toll.
„jubeln, chillen, England grillen!“
Ja ja, die englische Presse ist ja immer so böse. Sie bildet deutsche Spieler mit Pickelhaube ab. Ach herrje. Die deutsche hingegen ist ja so gemäßigt. Die möchte nur die Engländer grillen. Wieso geht dann da kein Aufschrei mit Konsequenzen los? Was wäre, wenn die deutsche Nationalmannschaft im Achtelfinale nicht auf England, sondern auf Israel treffen würde?
„jubeln, chillen, Israel grillen!“
Wird jetzt klar, dass der Satz nicht geht?
Viel weniger schlimm sind diese ganzen Assoziationen zu Wembley. Wir erinnern uns: 1966 gab es eine ähnliche Situation, allerdings entschied der Schiedsrichter, dass der Ball drin war. „Das kann doch nicht sein!“, „Betrug!“, so was ist doch nicht möglich!“ hieß es damals in Deutschland. Dass es möglich ist, dass ein Ball ins Tor springt und wieder raus, hat man ja gestern gesehen.
Und dass Wembley höchstwahrscheinlich tatsächlich kein Tor war, hat man erst 2006 herausgefunden.
An dem Vergleich stimmt also so einiges nicht. Hätte man 1966 die technischen Möglichkeiten von heute gehabt, hätte man herausgefunden, ob es ein Tor war oder nicht. Ist auch unerheblich, denn England hatte das Spiel 4:2 gewonnen, genauso unerheblich, wie das angebliche Abseitstor von Deutschland gestern und eben das nicht gezählt Englands. Am Schlussergebnis hätte das nichts geändert.
Nur, blöd, wenn die BLÖD dann so einen Stuss schreib, wie:
„Liebe Engländer, jetzt wisst Ihr, wie wir uns 44 Jahre lang gefühlt haben. Wütend über soviel Ungerechtigkeit, bestohlen um den Titel.“
und
„Du hast dir viel Zeit gelassen, das Unrecht auszugleichen. Wir hatten schon nicht mehr daran geglaubt. Seit gestern ist Wembley wettgemacht.“
Ach so, Unrecht ausgleichen. Eine falsche Entscheidung wird also mit einer anderen falschen Entscheidung richtig gemacht. Bei so viel Logik, verwundert auch nicht, dass die Bild markige ins rechtsextreme abgleitende Sprüche der CDU und CSU ohne Kommentar und Verurteilung veröffentlicht:
Peter Trapp, innenpolitischer Sprecher der Berliner CDU, zu BILD: „ Wir müssen bei der Zuwanderung Kriterien festlegen, die unserem Staat wirklich nützen. Maßstab muss außer einer guten Berufsausbildung und fachlichen Qualifikation auch die Intelligenz sein. Ich bin für Intelligenztests bei Einwanderern. Wir dürfen diese Frage nicht länger tabuisieren.“
Da macht es doch Spaß, deutsch zu sein. Wann gibt es eigentlich einen IQ-Test für Fußballer? Oder für CDU-Politiker?
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