Der Friseur im Jeansanzug – die Geschichte

Das ist die Fortsetzung von Teil 1

Am nächsten Tag versuchte ich nochmals, mich in die Friseurhölle zu wagen. Ich würde einfach die Massen an Friseurgeschäften der Südstadt noch einmal ablaufen, so lange, bis ich mich tatsächlich trauen würde, eins zu betreten.

Als erstes kam ich an einem Geschäft mit großem Schaufenster vorbei. Naturhaarirgendwas. Die Poster schienen aus den 80er-Jahren zu sein, mit so einem bläulichen Ton, wie man oft sieht, wenn zu viel Sonne drauf scheint. Die blonden Modelköpfe hatten jetzt hellblaue Haare, wie es Rentnerinnen gerne tragen. Ich schaute durch das Fenster und im Laden war auch alles vergilbt, aber eher in der Farbe der Taxirufzentrale nebenan, wo durch ständiges Rauchen der wartenden Taxifahrer und Telefonistinnen alles eine einheitliche Farbe angenommen hat, so dass man den Sepia-Filter gar nicht mehr braucht, falls man nostalgische Fotos machen möchte.

Da entdeckte ich – auf der anderen Seite des Schaufensters stand der Friseur und schaute mich an. Und ich schaute ihn an. Das Mundharmonika-Solo aus „Spiel mir das Lied vom Tod“ war zu hören – zumindest in meinen Gedanken.

Bei der Beschreibung des Friseurs müssen wir mal kurz zum Zigarettenaschehaufen der Taxivermittlung gehen, denn wie Gerhard Schröders Naturhaar war das die Farbe des Hauptes des Friseurs. Sein Gesicht hatte übrigens die gleiche Farbe. Wie soll man es beschreiben, es war wie ein sonnengegerbtes Gesicht ohne Sonne.

Und er hatte einen Cowboyhut auf und zog an seiner Marlboro und sagte: „Come to where the flavour is.“. Okay, das stimmt nicht, aber so stellte ich es mir vor. Er sah furchteinflößend aus, wie die grauen Herren von der Zeitsparkasse aus Michael Endes „Momo“, allerdings so, als ob diese auf eine Karnevalsveranstaltung als Cowboy gehen würden.

Der blassblaue, ausgewaschene Jeansanzug, eine Mischung aus Zigarettenasche-Farben und den verblassten Plakaten in seinem Schaufenster, verstärkte diesen Eindruck. Es fehlten nur noch Cowboystiefel und ich hätte den Typen für ein Bandmitglied von „Truck Stop“ gehalten. Außer, dass er einen Werkzeuggürtel mit Schnippschnapp-Geräten trug.

Ich wollte weg, doch er hatte mich bereits gesehen und ich konnte seinem Blick nicht entweichen. Jetzt einfach zu gehen, wäre doof. Und ich musste ihm doch eine Chance geben, sonst wäre alles Vorurteil. Außerdem, wenn man sich gegenseitig eine Minute anstarrt, muss man doch wenigstens mal „hallo“ sagen.

Ich betrat den Laden und ein Tumbleweed wehte von links nach rechts durch den Raum. Ich dachte „A man’s gotta do, what a man has got to do“ und sprach den Cowboy an.
Mit hoher, fiepsender, ängstlicher Stimme sagte ich: „Brauche ich bei Ihnen einen Termin, oder geht auch einfach so?“

Der Cowboy sagte: „Ja jetzt geht auch. Setzen Sie sich.“, zeigte auf den Sattel und nahm das Lasso, äh, die Schere in die Hand.

hier geht’s weiter mit Teil 3.

1 Kommentar

  1. Chris

    Jetzt bin ich aber richtig gespannt auf den 3. Teil. Nach der Odyssee mit den ältlichen, dicken Frauen, hippen Girls und Boys mit bunten Strähnchen im Haar, klingt der Malboro Cowboy richtig vielversprechend.

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