Tag: 29. Mai 2007

Das Cover-Girl

Es gibt Fragen, die treiben uns die Schamesröte ins Gesicht. Bei dem Versuch, sie zu beantworten, geraten wir ins Stottern.

„Wo kommen Babys her?“

„Was ist Sex?“

„Was ist ein Wichser?“

Diese gehören zu der schlimmeren Sorte. Nicht ganz so schlimm ist die Frage, die mir kürzlich gestellt wurde:

„Manuel, was ist denn ein Cover-Girl?“

Wie soll man das denn erklären ohne in Verlegenheit zu geraten? Nackte Frauen auf den Titelblättern der Zeitschriften lassen die Auflage steigen, weil wir Männer ziemlich einfach gestrickte Wesen sind. Und warum?

Zum Glück wurde mir diese Frage gar nicht von einem allzu naseweisen Kind gestellt, sondern von meiner quietschfidelen Oma. Anscheinend war dieser Begriff erst vor kurzem zum ersten Mal in ihrem noch jungen 82-jährigen Leben aufgetaucht.

Kurz, knapp und knackig konnte ich antworten. Ich musste nicht besondere Vorsicht bei der Wortwahl walten lassen. Ich musste nicht versuchen, auf holprigen Pfaden groß und breit die Unterschiede der männlichen und weiblichen Psyche zu erklären. Ich konnte direkt antworten:

„Oma, ein Cover-Girl ist ein Mädchen, das vorne auf einem Magazin drauf ist, auf dem Cover.“

Meine Oma stutzte kurz. Mit ihrer Reaktion hätte ich allerdings nie und nimmer gerechnet:

„Ach so. Also nicht ein Mädchen, das gedeckt werden muss?“

Ey, Alter, deutsch

Ich bin gerade beim Poetry Slam auf dem letzten Platz gelandet. Dem allerletzten. Mit am Abstand am wenigsten Punkten. Die Schweine. Alle, die Jury, das Publikum, die anderen Vortragenden, die abwesenden Unterstützer meiner Person. Fuck.

Die Texte die ich vorgetragen habe, waren der hier und der hier. Die Jury bestand aus dem Veranstalter, der dazu sagte: „Ich sag dazu nix“ und mir 6 Punkte gab, seine bisher schlechteste Wertung. Ein Typ, der früher am Poetry Slam teilgenommen hat, der sagte: „Wenn man über nix schreibt, das ist schwer.“ Und eine Freiwillige Jurorin aus dem Publikum. Eine Lehrerin, die mit ihrem Deutsch-Leistungskurs da war. Die sagte, in dem Text hätte sich zu viel wiederholt. Schade, darum ging es in dem Text doch eigentlich.

Zusätzlich zur Jury-Beurteilung konnte das Publikum noch Rosen und Schwämme werfen, die weitere Plus- bzw. Minuspunkte bedeuteten. Ein paar Rosen bekam ich ab – das war wohl Mitleid – aber der ganze versammelte Deutsch-Leistungskurs schmiss geschlossen mit Schwämmen. So hatte ich am Ende 10 Schwämme. Schüler sind Wichser. Mit Pickeln.

Klavierunterricht

Für Monika, eine Bekannte von mir, betätigte ich mich als Klavierlehrer. Diese wollte, dass ich ihren 6-jährigen Sohn Stefan für das Klavier begeistere. Das gelang mir letztens auch ganz gut, schließlich gibt es an einem Klavier viel zu entdecken.

Nach der Unterrichtsstunde wollte ich mich noch kurz mit der Bekannten unterhalten, als ihre nur 4-jährige Tochter Franziska angerannt kam. Sie hatte eine Energie von zehn Energizer-Bunnys und wusste genau, wie man die gesamte Aufmerksamkeit bekommt: Man nimmt sie sich einfach.

„Ich will auch Klavier lernen! Ich will auch Klavier lernen! Manuel bring mir Klavier bei!“ – „Meinst Du, das geht?“ fragte mich die Bekannte. Ich meinte, das ginge schon, wenn sie Lust habe, könne man auch in dem Alter schon was machen.

„Gib mir Klavierunterricht! Jetzt!“ trällerte Franziska. Aber ich hatte noch eine Verabredung und sagte: „Ja, mach ich, aber nicht jetzt, ich muss noch Kaffee trinken gehen.“ Ihre Antwort überraschte mich, denn sie war sehr weise: „Nein, musst Du nicht!“

„Na doch, das muss ich schon!“ – „Du musst nicht, Du möchtest!“ Da war ich baff, Recht hatte sie ja. Warum verliere ich Diskussionen mit 4-jährigen? Als ich mich verabschieden wollte, fragte Sie mich noch „Manuel, willst Du wissen, warum meine Schuhe Lackschuhe heißen?“ und ich wusste, dass die Antwort „Nein, danke“ keine Option war. Ihre Lackschuhe heißen so, denn sie machen beim Auftreten immer „Klick-Lack! Klick-Lack!“

Zum guten Schluss behauptete sie noch: „Manuel, ich bin Deine Freundin!“ Ich versuchte wenigstens ein bisschen Widerstand: „Nein, bist Du nicht! Hab ich da nicht auch noch ein Wörtchen mitzureden?“ – „Nein. Ich bin Deine Freundin!“

Gut, dass schon in so frühem Alter klar ist, wer später mal die Hosen anhat.

Waldorfnachbarn

Ich wohne direkt hinter einer Waldorf-Grundschule. Dort ist anscheinend von 9 bis 12 Uhr große Pause. Oder sie haben Gleitzeiten. Vielleicht stellen sie den Kindern auch frei, wann sie zum Unterricht wollen und wann sie lieber draußen spielen möchten. Jedenfalls schallt den ganzen Vormittag unglaublich hohes, schrilles Kindergeschrei zu mir herüber. Es klingt wie damals die künstlich hochgepitchten Stimmen der Techno-Schlager, beziehungsweise wie die heutige Klingeltonwerbung in echt.

Gestern wurde ich nach einer durchzechten Nacht rüde von einem Schulmädchenchor geweckt. An meine Ohren drang der Schlachtruf: „Manuel ist ein Arschloch! Manuel ist ein Arschloch!“ – Moment mal! Das ist mein Name! Das geht ja nun wohl eindeutig zu weit!

Erzürnt machte ich mich auf den Weg zum Balkon, von dem ich den Schulhof überblicken konnte. Ich überlegte noch, ob ich eine Schimpftirade loslassen könne oder ob ich einfach beleidigt mit dem Fuß aufstampfen solle. Ich würde ganz kindisch und beleidigt „Ach, Menno! Ihr seid soooooo do-of!“ rufen und mich wieder ins Bett verziehen. Ich könnte auch angesichts der drucklosen Waldorf-Pädagogik versuchen den Konflikt gemeinsam auszudiskutieren.

Stattdessen stellte ich mich auf den Balkon, plusterte mich auf und rief mit lauter Stimme: „Selber! Selber! Lachen ja die Kälber!“

Die Reaktion? Die Schülerinnen ließen von ihrem Mitschüler ab. Sie meinten gar nicht mich, sondern einen Jungen mit dem gleichen Namen. Dann liefen sie aufgeregt zu ihrer Lehrerin und fragten diese:

„Frau Lehrerin, was macht denn der nackte Mann da oben?“

Weitergeschenkt

Meine Oma zelebrierte kürzlich ihren achtzigsten Geburtstag. Ein feierliches rundes Datum! Mein Vater wusste, dass sich meine Oma ein Musiklexikon wünschte, ein edles fünfbändiges Nachschlagewerk, mit allen wichtigen Musikern und klassischen Werken.

Sie war zunächst sehr glücklich, als sie dies auch tatsächlich bekam. Als sie den ersten Band voller Vorfreude öffnete, fiel ein kleiner Zettel heraus, auf dem stand:

„Herzlichen Glückwunsch zum 50. Geburtstag, ihr Gesangsverein!“

Meine Oma verstand schnell, was das bedeutete. Mein Vater, ihr eigener Sohn, hatte sich nicht die Mühe gemacht, ihr ein teures Geburtstagsgeschenk zu besorgen, sondern nur etwas weitergeschenkt, was er zu seinem eigenen Geburtstag ein halbes Jahr zuvor von seinem treuen Chor bekommen hatte.

Es war auch kein Zufall, dass mein Vater wusste, dass meine Oma so ein Lexikon haben wollte. Nein, sie hatte es ja bei ihm gesehen und ihm dies mitgeteilt! Der alte Schlawiner! Aber so läuft es mit dem Geschenke verteilen in meiner Familie. Wir wissen ja, dass wir uns gern haben, da müssen wir beim Schenken nicht so sorgfältig sein.

Vor ein paar Jahren bekam ich zu Weihnachten von meiner Mutter ein Parfüm geschenkt, welches sie selbst ausgesucht hatte. Selbstredend fand ich den Duft fürchterlich. Wer lässt sich schon von seiner Mama Düfte auswählen? Schnell fand ich den Mut, ihr zu sagen, dass mir das Parfüm nicht zusagt. „Na dann nehme ich es eben selbst, mir gefällt der Duft!“ freute sich meine Mutter. Dass es ein Herrenduft war, spielte überhaupt keine Rolle.

Das Jahr darauf, wieder an Weihnachten, hoffte ich, dass meine Mutter dazugelernt hätte. Doch das Eingepackte sah wieder verdächtig nach einem Eau de Toilette aus. „Mama, ich mag doch kein Parfüm von meiner Mutter geschenkt bekommen!“ – „Pack es doch erst mal aus, vielleicht gefällt es Dir ja!“, entgegnete sie. Ich packte es aus und seufzte. Es war nicht nur das gleiche Parfüm wie letztes Jahr, es war sogar dasselbe: Sie hatte das Jahr davor, das Parfüm ein paar Mal selbst benutzt und dann wieder sorgfältig eingepackt. Irgendwann sah sie es wohl herumstehen und kam auf die Idee, es mir zu Weihnachten zu schenken. Ein zweites Mal.

Einige Monate später, an meinem Geburtstag, schien alles glatt zu laufen. Kein Parfüm, sondern ein Buch. Da kann ja nicht viel schief laufen. Und es fiel auch keine Glückwunschkarte heraus. Allerdings war es das Buch, dass meiner Schwester zu Weihnachten geschenkt wurde!

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