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Schöne Bescherung

So, liebe Leser, zum heraneilenden Fest erzähle ich Euch eine richtig peinliche Geschichte. Aber nur, wenn ihr hoch und heilig versprecht, nicht zu lachen!

Heute Mittag packte ich fleißig meine Geschenke für meine Eltern zusammen und auch meine Tasche mit Klamotten, für ein paar Tage Aufenthalt dort. Dann stürzte ich mich auf den Weg zum Bahnhof in die voll gepackte Linie 16. Am Bahnhof holte ich mir noch eine Packung Vitamine bei der Fruchsaftmischung von Mr. Clou, bevor ich mich ans Gleis begab und alsbald das Eintreffen des Zuges erwartete.

Der Zug war auch relativ voll, da freute ich mich, dass ich eine Sitzreservierung hatte. Mit einem Grinsen, forderte ich die ältere Dame auf meinem Platz auf, sich zu erheben, weil ich den Platz reserviert habe. Der Dame kam das etwas komisch vor, sie meinte, sie hätte den auch reserviert. „Na klasse, auch noch senil.“, dachte ich. Die jüngere Dame neben der älteren bot an, aufzustehen, dann können wir beide sitzen. „Nein, nein, das will ich jetzt aufklären.“ Sagte die alte Dame und kramte ihr Ticket hervor, während ich ersuchte, die sich hinter mir aufbauende Schlange irgendwie im engen Gang vorbeizulassen.

„Wagen 7, Platz 12, stimmt doch!“ triumphierte die Oma, als sie mir das Ticket unter die Nase hielt. „Tatsächlich“ stutzte ich, doch ich merkte schnell: „Aber das Ticket ist ja von gestern, heute ist der 23.!“ – „Nein, nein, heute ist der 22.!“ Sagte die Dame. Ich erzählte ihr, dass sie gestern hätte fahren müssen, als sich endlich andere Fahrgäste einmischten.

Es brauchten derer Fünf, um mich zu überzeugen, dass in der Tat ich derjenige war, der sich geirrt hat. Und zwar nicht im Sitzplatz, sondern im Tag. Verdammte Scheiße, ich bin 24 Stunden zu früh an den Bahnhof gerast, weil ich seit einigen Tagen einen anderen Kalender im Kopf hatte, als der Rest der Welt. Mit hochrotem Kopf, oberpeinlich berührt versuchte ich schnell noch den Zug zu verlassen, bevor er Abfuhr. Das gelang wenigstens noch, der Wagen hat bestimmt sich bis Bonn vor Lachen nicht mehr eingekriegt, das wäre nicht zu ertragen, wenn ich die Fahrt auch noch mitmachen hätte müssen.

Geknickt machte ich mich auf den Nachhauseweg, um die plötzlich gewonnen 24 Stunden irgendwie aufzubrauchen.

Die Pest ist zurück.

Und das Virus hat sich vermehrt. Ich dachte schon der singende Golum sei ausgestorben, man hat ja nichts mehr gehört, aber kurz vor Weihnachten eine erneute Katastrophe. Letztes Jahr der Tsunami, dieses Jahr the return of Lukas Hilbert. Der König der Schwachmatentexte, der Kaiser des Röchelns auf Seichtmusik, der Drei-Käse-hoch Möchtegern-Punkrocker-Arsch, der koksende Schwächling mit den Bazooka-Joe-Abziehbilder-Tattoos, die Heulsuse, oder besser Sirene ohne Stimme, die von kleinen Grundschülerinnen verprügelt werden könnte, erschien mir beim seltenen Fernsehkonsum schon zwei mal auf dem Bildschirm mit seinem neuen terroristischen Video, in dem er sogar hinter allen Instrumenten gleichzeitig zu sehen ist: Er verschwindet hinter seiner Gitarre, er haut spastisch auf ein Miniatur-Drumset und spielt einhändig auf einem E-Piano, dem er einen Namen gegeben hat, nämlich seinen eigenen: Lukas. In seinem Kopf muss ein Kampf toben zwischen tierisch übersteigerter Eingebildetheit und strunziger Dummheit. Da ist für schlaue Texte natürlich kein Raum mehr.

Auf der Suche nach den Lyrics stolperte ich über einen älteren Song gleichen Namens: „Du bist Ich“. Allerdings von Helge Schneider:

„Du bist ich – ich bin du! Ich bin du – du bist ich! Du bist du – ich bin ich! Ich bin du – du bist du! Du bist ich! Wenn wir uns küssen ist es sehr schön! Müssen wir trennen uns? Sollen auseinandergehn? Dann ist das Leben nicht mehr so gut. Denkst du da dran, es ist nicht mehr gut?
Du bist ich – ich bin du! Ich bin du – du bist ich! Du bist du – ich bin ich! Ich bin du – du bist du! Du bist ich! C Lalalalalalala…“

Eigentlich ziemlich ähnlich. Die anderen Songs von Lukas Hilbert, „Der König bin ich“, „100 Frauen“, „Mein Penis stresst mich“ – könnte Helge auch nicht besser texten. Bitte, sperrt Lukas Hilbert wieder in seinem Kinderzimmer ein, dieser Rotzlöffel muss weg.

Reiseberichte: Köln – Kiel

Ich verließ meine Wohnung kurz nach 18 Uhr. Im Treppenhaus hörte ich aus einer Nachbarswohnung zum ersten Mal in diesem Jahr „Last Christmas“ von Wham tönen. Na super, ich war doch sowieso schon schlecht gelaunt. Warum schon im November? Im Dezember muss ich das bestimmt doch schon ungefähr 200mal hören. Jetzt fehlt nur noch „All I want for Christmas is you“ von Mariah Carey und ich raste vollkommen aus. Dann gibt es dieses Jahr keine Geschenke, liebe Kinder.

Ja, damals war Mariah Carey noch jung, noch nicht vollkommen psycho und hatte bedeutend kleinere Brüste. Deswegen singt sie mittlerweile auch nicht mehr so hoch. Nicht, dass die platzen.

Auf dem Weg zur S-Bahn (oder U-Bahn, Straßenbahn oder was auch immer, um hier nicht wieder eine Diskussion der Kommentier-Pedanten loszutreten) kam ich an der Stehcafé-Bäckerei vorbei, und die hatten schon auf einem der Hocker einen Plüsch-Weihnachtsmann von der Größe eines Jahrmarkt-Hauptgewinns platziert. Der kam wie gerufen, ich betrat die Bäckerei um dem Teddy mal kurz in die Fresse zu schlagen und ihm vom Hocker zu kicken. Das tat gut.

An der S-Bahn-Station wurde mir wieder klar, was der Unterschied zwischen Männern und Frauen ist: Frauen können zwei Dinge gleichzeitig. Auf den Bahnsteig kam eine junge wasserstoffblondierte Tussi, die auf den Fahrplan schaute und gleichzeitig sich Ansteck-Ohrringe an die Ohrläppchen heftete. Nun ja, Männer müssen sich ja auch keine Ohrringe anstecken und auch keine Fahrpläne lesen. Zumindest nicht, wenn man schon am Gleis steht, zu spät kommen kann man dann ja nicht mehr.

Ein junger Mann nahm die Blondine sofort wahr und überlegte, wie er ein Gespräch starten konnte. Nach einigen Minuten fiel ihm etwas ein und er ging auf Blondie zu: „War die 16 schon da?“ Zu seinem Glück war der Blondine nicht bewusst, dass der Typ schon länger als sie am Gleis stand und es wohl besser wissen musste. Sie antworte: „Ja, die ist schon fort.“ Genau in dem Augenblick fuhr die 16 ein und verursachte einen kurzen Moment der Peinlichkeit. „Oh, doch nicht“, war ihr Rechtfertigungsversuch.

Da hätte die aufkommende Romanze schon im Keim erstickt werden können, der junge Mann gehörte sowieso zu den Typen, auf die die Menschheit gut und gerne verzichten kann. BWL-Student, gegelte Haare, konservativ, aber noch nicht konservativ genug, um in einer Burschenschaft zu fungieren, allerdings wahrscheinlich in irgendeiner Funktion von Papas Karnevalsverein, Kassenwart oder so. Schwarze Jeanshose (die wo so weiße Fäden durchschimmern, igittigitt), Nike-Turnschuhe und dazu passende Nike-Sport-Winterjacke, im Karstadt gekauft. Außerdem eine aggressive Fresse, mit der er freundlich dreinzublicken versuchte, der Frau wegen. Im Grunde genommen wie Carsten Spengemann.

Die Romanze war aber noch nicht vorbei. In der Bahn saßen sie sich gegenüber und der BWLer startete einen neuen Versuch, als die Tussi ein Buch, sogar mit Buchstaben und wenig Bildern, auspackte: „Darf ich fragen, was das ist?“ Jeder halbwegs intelligente Mensch würde darauf mit ja oder nein oder mit „Ein Buch, Du Depp!“ antworten, aber die Blondine stieg voll darauf ein und es entwickelte sich ein Gespräch aus dem ich lernen konnte, dass sie gerade angefangen hatte an irgendeiner Business-Schule Tourismusmanagement zu studieren und er schon seit 7 Semestern BWL studierte und dass beide miteinander schlafen würden. Gut, dazu kamen sie nicht, die Fahrt war ja nur kurz und alle beide hielten sich am Smalltalk fest und kamen keinen Schritt weiter. Als sie ausstiegen und in unterschiedliche Richtungen am Hauptbahnhof weiter mussten, kam nur ein „war ein schönes Gespräch mit Dir“ über die Lippen der Frau. Diese beiden Turteltauben haben wohl ihre Chance verpasst und werden sich nie wieder sehen. Außer vielleicht am Wochenende in der Nachtschicht, Kölns Danceclub und Discostadl.

Am Bahnhof hatte ich noch etwas Zeit in der DB-Lounge ein paar Softdrinks kostenlos zu mir zu nehmen. Also machte ich mich auf den Weg durch das Reisezentrum. Am Eingang ist dort ist seit kurzem ein Pult aufgebaut, an dem ‚Empfang‘ geschrieben steht, dahinter eine Bahnmitarbeiterin ohne weitere Funktion. Sie sagte noch nicht mal „Guten Tag“ oder irgendeine Begrüßungsfloskel. Sie hätte einem den Weg zu den Fahrkartenschaltern zeigen können, das wäre aber unnötig, das Reisezentrum besteht ja aus nichts anderem. Also war die einzige Funktion der Dame, keine Fahrkarten zu verkaufen, damit an den echten Schaltern die Leute noch länger anstehen müssen.

Neben der Empfangslady stand eine weitere Frau, in Smalltalk mit ihr vertieft. Diese trug eine rote DB-Jacke, hinten mit einer Aufschrift: „Die Fahrkartenautomaten für den Nah und Fernverkehr. Jetzt ausprobieren.“ Abgesehen davon, dass der Nah- und Fernverkehr einfach der Verkehr ist, also der Werbetexter, der sich das ausgedacht hat mal wieder kaputt war, muss man sich mal die Aussage der Jacke auf der Zunge zergehen lassen. Diese Frau kennt keine Scham. Wer trägt freiwillig eine Jacke, auf der so gut wie folgendes steht: „Hallo, ich bin ein Mensch. Ich bin ersetzbar. Soll ich Ihnen zeigen wie?“

Auf dem Weg zu den Gleisen kam ich an einem Automaten vorbei, vor dem ein Mann stand, der ziemlich ratlos auf den Bildschirm schaute. Zum Glück stand daneben eine weitere Frau, mit einer ähnlichen roten Jacke wie die Schamlose, allerdings mit der viel simpleren Aufschrift „Automatenhilfe“. Leider schaute auch diese ziemlich ratlos drein. Jetzt mal im ernst, liebe Bahn. Wenn Eure Fahrkartenautomaten so kompliziert sind, dass man menschliche Mitarbeiter braucht, die den Bahnkunden helfen, diese zu bedienen und dabei selbst an die Grenzen ihres Könnens stoßen, ist es dann nicht ein wenig redundant, diese Automaten überhaupt zu haben? Aber wenigstens stellt ihr echte Menschen hin, die man anfeinden kann, wenn der Computer nicht so will, wie man selbst. Wäre ja noch schöner, wenn der Fahrkartenautomat eine sprechende Büroklammer hätte oder was ähnliches.

Nun zur eigentlichen Fahrt. Um 19:12 musste ich an Gleis 4 in einen ICE steigen, der 20:20 Uhr in Dortmund ankommt, wo ich dann in einen EC wechsle. Der Brüller. Warum? Weil der EC in den ich dort um steige um 19:11 am Gleis 5 vom selben Bahnsteig in Köln losfuhr. Die Option gleich in den EC zu steigen wurde mir beim Fahrkartenkauf nicht gegeben. Wahrscheinlich um den ICE-Zuschuss einzukassieren. Und um mich noch mal extra umsteigen zu lassen. Mittlerweile hat die Bahn nämlich persönlich was gegen mich, bin ich fest von überzeugt.

Der Rest der Reise verlief allerdings ohne nennenswerte Zwischenfälle. Allerdings weiß man erst den Komfort des ICEs zu schätzen, wenn man mal EC gefahren ist. Die war noch das am wenigsten Unangenehme. Dennoch sehr unangenehm. Der PVC-Boden in einem marmorierten blau, hässlicher Farbton, kombiniert mit einem absolut unpassenden anderen blau an der Wand und noch weniger passenden Blaukombination der Sitz-Stoffbezüge. Ansonsten nuanciert von schrecklichem Grau und schrillem Gelb. Um den Brechreiz zu überbrücken, habe ich mit meinem Handy ein Foto gemacht:

Wenn einem auf der Fahrt nichts anderes zu tun bleibt, als nachzudenken, weil man die Bücher, die man dabei hatte, schon gelesen hatte und für das Arbeiten keine Platz war, ist das nicht unbedingt angenehm. Zuerst denkt man über alle vergangenen Frauenbekanntschaften nach. Das macht einen unweigerlich traurig. Denn wenn es schön war, ist es vorbei. Und wenn es nicht schön war, war es nicht schön. Wenn man dann mit dem Thema durch ist, denkt man über seine Verwandtschaft, über Beruf und über Finanzen nach. Das macht die Sache auch nicht besser.

Domino Die!

Am Freitag findet wie jedes Jahr, der berüchtigte Domino-Day auf RTL statt. Ein erneuter Versuch unserer holländischen Nachbarn den verrückten Weltrekord im Domino-Stein-Kettenreaktion-Umsturz zu brechen. Dafür wurden über 4 Millionen Dominosteine in einer monatelanger Sisyphus-Arbeit aufgebaut.

Letzte Woche verirrte sich ein kleiner Vogel, ein Spatz, in die Halle und schmiss in jugendlichem Leichtsinn 23 000 Steine um. Das brachte natürlich den Zeitplan durcheinander und die Verantwortlichen erschossen kurzerhand den kleinen Vogel, damit er nicht noch mehr Schaden anrichtet.

Nun, ich bin kein Tierschützer oder so und zertrete schon mal eine Ameise, aber immerhin habe ich noch keinen Vogel wegen 23,000 Domino-Steinen erschossen. Ist aber schön zu wissen, dass ich jetzt den Wert eines Spatzen weiß. 23,000 Dominos. Das heißt als, die Veranstaltung morgen hat insgesamt einen Wert von 188 Spatzen. Nun ja, ich glaube ja nicht, dass ein Spatzenleben nur ein paar Dominos wert ist, aber ich frage mich dann, wie viele Dominosteine ein Menschenleben wert ist? Irgend so einer von dem Tierschutzverein hat gesagt, dass die Mitarbeiter ja auch nicht erschossen werden, wenn sie aus Versehen Dominosteine umstoßen. Das stimmt zwar, aber erstens ist nicht nachgewiesen, dass der Spatz das nicht in voller Absicht getan hat und immerhin wurden dem Typen, der die Hallentür vergessen hatte zuzumachen und so dem Spatz erst ermöglicht hat, den Schaden anzurichten, von wütenden Endemol-Mitarbeitern die Beine gebrochen.

Allerdings würde das Todesurteil für versehentlichen Dominosteinumsturz das Aufbauen der Steine natürlich viel spannender machen, den Nervenkitzel erhöhen und die Quote steigern. Wie früher, als der Wert, der Ruhm und die Größe von Wolkenkratzern noch daran gemessen wurde, wie viele Bauarbeiter beim Aufbau abstürzten und starben. „4 Millionen Steine wurden für diesen Weltrekord aufgebaut. 7 Menschen ließen dafür ihr Leben! Schalten Sie ein!“

Ich bin jedenfalls ganz gespannt auf morgen, vielleicht rennt ja irgendein Tierschützer nackt aufs Dominofeld um dem ganzen Morden ein Ende zu setzen?

Das würde jedenfalls endlich mal diesem vollkommenen blödsinnigen Projekt die nötige Absurdität geben. Entschuldigt mal, was für ein unsinniger Privatfernseh-Nutzlos-Weltrekord ist das denn? Endemol, die glorreiche Firma, die uns Big Brother, Deutschland sucht den Megaschreihals und Linda ich-bin-verwandt-ich-komm-ins-Fernsehen gebracht hat? Hilfe, so was ist wieder ein Fest, mit dem sich die Sender, die ohnehin nur Müll verzapfen, wieder wahnsinnig viele Werbeeinnahmen holen können.

Da ist es doch eine wahre Freude, dass es genügend Idioten gibt, die sich freuen, wenn sie ins Team der Dominostein-Bauer aufgenommen werden, und wochenlang auf dem Boden robbend die Steinchen setzen, ohne dafür gerecht entlohnt zu werden. Und die denken dann noch, sie wären auserwählt, während RTL mit ihrer stumpfsinnigen Arbeit Millionen macht. Vollbratzen, die sich vor Freude umarmen, wenn ihre Steinchen fallen, bittere Tränen weinen, wenn sie es nicht tun. Menschen denen die hungernden Kinder in Afrika, der Irak-Krieg und der ganze Rest am Arsch vorbeigehen – alle vereint, bei dem was wirklich wichtig ist. Dem Umsturz von kleinen Steinchen. Ohne Bewusstsein, dass sie gerade einen ganzen Monat ihres Lebens auf einem Hallenboden vergeudet haben, möchten sie auch unbedingt nächstes Jahr wieder dabei sein.

Reiseberichte Köln – Dortmund, 22. Oktober 2005, 16:51 Uhr

Ich wollte eigentlich den ICE um 17:12 nach Dortmund nehmen, aber als ich am Bahnhof ankam, sah ich, dass dieser 20-30 Minuten Verspätung haben würde. Ich schaltete schnell und sprang gerade noch rechtzeitig in den 20 Minuten früher abfahrenden Regionalexpress mit gleichem Ziel. Mal schauen, ob ich da wieder Geld von der Bahn zurückverlangen kann.

Jedenfalls kämpfte ich mich dann durch den nahezu vollen Regionalexpress (früher: Bummelzug) in Richtung Pott. Irgendwann wird mal auf dieser Strecke ein Film gedreht a la „Ein Käfig voller Narren“, der heißt dann „Ein Zug voller Prolls“. So viele Assis, bestätigte Vorurteile, Wolfgang-Petry-Frisuren und Handyschlampen auf einen Fleck habe ich selten gesehen.

Ich hatte unglücklicherweise noch zwei Pizzastücke in der Hand, die ich schnell noch gekauft hatte, denn sonst wäre ich beim Auftritt später am Abend umgekippt. Und beim Balancieren durch die Gänge sagt so ein ca. 40-jähriger Intellektueller – na gut, er trug eine Brille, das war alles – zu mir: „Oh, danke, das ist aber nett.“ So als ob die Pizza für ihn wäre. Okay, das war schon damals nicht lustig, als 13-jährige untergewichtige Gymnasiasten mit Pickeln in der Fresse diesen Spruch brachten, wann immer einer irgendwas zu essen hatte, um irgendwem beweisen zu wollen dass sie witzig sind, und dabei jedem beweisen dass sie überhaupt nicht witzig sind. Meist gefolgt von einem Lachen über den eigenen Scherz, aber nicht ein „hahaha“, sondern mehr so ein Hyperventilieren durch schnelles Ein- und Ausatmen durch die Nase, während die Zähne grinsend zusammenpresst werden. Ich weiß das noch gut, ich war so einer von der Sorte.

Jedenfalls sagte ich zu dem Dummspruch-Typen: „Du bist so lustig, Du solltest zum Privatfernsehen.“ Und er verstand das als Kompliment. Da schlug ich ihm ins Gesicht. Allerdings nur in Gedanken, ich hatte ja keine Hand frei, da war ja noch die Pizza.

Ich ergatterte tatsächlich noch einen Zweiersitz ganz für mich alleine. In der akustischen Nähe der neuen 5 Freunde: Ein dicklicher Haufen von Pottwalen, äh, Pott-Männern, ein Männergesangsverein oder so, vom tollen Köln-Ausflug zurück. Sie saßen zusammen auf einem Viergruppen-Sitz. Einer von ihnen musste alleine woanders sitzen. Die lustigen Weiber der fünf Freunde waren auch dabei. Sie mussten Sicherheitsabstand halten und waren auf einer anderen Vierergruppe platziert. Hysterisches Lachen tönte oft aus der Ecke durch den Zug. Nicht, dass es irgendeinen Grund gäbe, 5 Hausfrauen auf einen Fleck lachen eben oft hysterisch. Wahrscheinlich wenn sie realisieren, wie kacke ihr leben doch bisher gelaufen ist.

Kurz nach Abfahrt kramte einer der Herren, und zwar der, der zwei Gürtel aneinander kleben muss, um um seinen Bauch herum zu kommen, ein Plastiktüte aus und verteilte Bierdosen an die anderen Vier. „Kein Kölsch? Das ist ja stillos“, tönte es aus der Waschweiber Ecke, dabei verkennend, das wahrscheinlich ihr ganzer Kleiderschrank, ja ihre ganze Wohnung und fast alles an ihnen stillos ist.

Die Männer klopften auf das Bier als ob es eine geschüttelte Cola-Dose sei und machten dabei „Mi mi mi mii“, als ob sie ihre Stimme oder ein Instrument stimmen würden. Schade nur, dass man beim Stimmen nicht wirklich solche Geräusche von sich gibt. Also doch kein Männergesangsverein. Die Hausfrauenbande schrie nun: „Wir wollen auch was zu trinken!“, aber die fette Spokesperson der Männergruppe sagte nur: „Ich geb‘ euch gleich Hustensaft!“ Damit war das Thema erledigt und die Hausfrauen legten die weitere Fahrt hysterisch kichernd ohne Alkohol zurück.

In Düsseldorf merkte ich leider zu spät, dass nun mehr Leute einstiegen als es Sitzplätze im Zug gab. Eine gut aussehende Frau ging an dem mit meiner Jacke und Rucksack belegten Platz vorbei und schaute mich hoffnungsfroh an. Natürlich war ich verwirrt, schockiert und gehemmt und natürlich auch mal wieder zu langsam. Aber sie fragte mich ja auch nicht nach dem Platz, und wenn ich schon mit dem Studium ihrer Figur vollkommen beschäftigt bin, wie soll ich mich dann noch auf Höflichkeitsfloskeln wie „willst Du Dich hier hinsetzen?“ konzentrieren? Die Frau ging weiter. Kurz darauf kam das genaue Gegenteil von ihr an und fragte mich ob sie sich da hinsetzen könne. Mir blieb gerade noch kurz Zeit irgendwie meine Sachen zu greifen, bevor sie sich auf den Sitz schmiss. Eine stinkende, rundliche Person saß nun neben mir, mit riesigen Hängetitten, die bei jedem Ruckeln des Zugs derbe zu mir rüberschwappten. Zum Glück stieg sie nach zwei Stationen aus, und eine etwas kleinere Frau setzte sich neben mich, klappte ihre Handtasche auf ihrem Schoß auf und begann sich ihre etwa fünf Zentimeter langen Fingernägel zu feilen. Den Fingernagelstaub einfach in die Handtasche.

Später durfte ich dann noch mitbekommen, wie sich zwei ehemalige Recklinghausener Freundinnen nach Jahren zufällig im Zug begegneten und sich über die ganzen In-Kneipen in Recklinghausen und Umgebung und wer jetzt wen geheiratet hat unterhielten, bevor ich schließlich total erschöpft am Dortmunder Hauptbahnhof ankam, der an Hässlichkeit auch kaum zu überbieten ist. Dann fing es an zu regnen.

Reisereport Paderborn

Vor ein paar Tagen bin ich mit der Bahn nach Paderborn gereist. In Hamm sollte ich in den IC umsteigen, aber da der Regional-Express (ehemals Bummelbahn) in Hagen eine Verschnaufpause einlegen wollte, verpasste ich meinen Hammer-Zug und hatte unversehens eine Stunde Aufenthalt in Hamm. Der Bahnhof in Hamm ist der langweiligste Bahnhof der Welt. Nicht der hässlichste, das ist der in Mönchengladbach.

Ich informierte mich über das Kulturprogramm in Hamm und sammelte alle Flyer die ich finden konnte, drei Stück. Die waren auch nicht viel besser:

Neben Nikolausfahrten mit der Dampflok der Hammer Eisenbahnfreunde und den Zentralhallen Hamm, wo es spannende Veranstaltung wie Deutschlands größten Pferdemarkt, die „vorweihnachtliche Publikumsausstellung“ (was auch immer das ist) und ein Konzert der „Paldauer“ unter dem Motto „Weihnachten wie im Märchen“ (ja, Märchen waren oft grausam), gibt es eine spannende Show, die sich den herrlich doofen Titel „Stars and Horses“ ausgesucht hat. 40 Pferde, 50 Künstler – so wird damit geworben. Das sind ja 10 Künstler ohne Pferde! Der Parkplatz davor heißt komischerweise „Ökonomierat-Peitzmeier-Platz“.

Letztendlich ging es dann doch endlich weiter nach Paderborn. Die Stadt ist schon 1200 Jahre alt. Und die temporeichen Paderborner haben ihren Bahnhof immer noch nicht fertig gebaut!

I am beautiful, no matter what THEY say

Es gibt eine Webseite, die sich den exklusivsten Club der Welt nennt: www.beautifulpeople.net

In Wirklichkeit handelt es sich einfach um eine Single-Seite, zu der allerdings nicht jeder Zutritt hat. Auf der Homepage erfährt man, dass nur einer von 15 Bewerbern zugelassen wird, dass beautifulpeople.net in Bezug auf Schönheit das Äquivalent dazu sei, in MENSA, dem Club der Leute mit einem IQ über 140, aufgenommen zu werden, und dass die Betreiber der Seite wahrscheinlich schön sind, aber von Rechtschreibung relativ wenig Ahnung haben – sie ist mit Schreibfehlern gespickt.

Das Prinzip der Seite ist einfach. Die Betreiber gehen davon aus, dass schöne Menschen, die einen Partner suchen, es satt haben, auf Dating-Seiten über einen Haufen Profile von einsamen hässlichen Frustrierten zu stolpern und daher eine Seite brauchen, die nur schöne Menschen zeigt. Wenn man sich auf der Seite mit einem Foto bewirbt, durchläuft man einen Bewertungsprozess. Erst wenn die bereits existierenden Mitglieder des anderen Geschlechts einen für würdig erachten, darf man die heiligen Hallen der Seite betreten. Allerdings nur, wenn man amerikanisch, britisch oder norwegisch ist. Für die anderen Länder sei die Seite erst in Planung. Und für Leute, die einen anderen Browser als Microsofts Internet Explorer benutzen, geht die Seite auch nicht. Also wird „beautifulpeople“ trotz meiner Schönheit ohne mich auskommen müssen.

Das grundlegende Paradoxon allerdings ist folgendes: Hätten die schönsten Menschen der Welt ohne diese Internetseite wirklich Schwierigkeiten, andere kennen zu lernen? Die Antwort ist „ja!“ – aber nur, wenn sie Arschlöcher sind. Andererseits ist es natürlich beängstigend, wenn Menschen einen exklusiven Club brauchen, um sich schön zu fühlen. Brauchen solche Leute nicht einfach ein wenig mehr Selbstbewusstsein? Moment – ich bin Single, ich date gerne schöne Menschen und ich brauche mehr Selbstbewusstsein! Also ist die Seite doch genau das richtige für mich!

Eine Freundin von mir, eine afroamerikanische, etwas beleibtere Schauspielerin aus San Francisco, wollte mal ihr Glück versuchen, nur um zu schauen, was hinter der Seite steckt. Ihr Ziel war es, sich mit dem schönsten Bild, das sie von sich hatte zu bewerben, um es dann mit dem schrecklichsten von sich auszutauschen, sobald sie akzeptiert wird. Später, wenn sie die Bewerber mitbewerten dürfe, würde sie alle schönen Menschen ablehnen. Sie wurde allerdings nicht akzeptiert, sie hatte wohl die falsche Hautfarbe. Die Männer auf der Seite wollen anscheinend nur weiße Blondinen unter sich haben. Schön ist das nicht.

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