Kategorie: Gedanken vom Pferd (Page 6 of 10)

Gedanken vom Pferd – 35

Gastkolumne von Weidler

Von spiegel.de:
„Wenn selbst in Ländern wie Italien oder Irland ein Rauchverbot durchsetzbar ist, sollte dies auch bei uns möglich sein“, so Kaupa.

Wenn ich Italiener oder Ire wäre, würde ich jetzt vermutlich „Was soll denn das bitte heißen?“ denken.

Ich träumte, ich lief in einem weiß-rot geringelten Schlafanzug in die Stadt.
Die Leute betrachteten mich verängstigt. Vorhänge wurden zugezogen, Fenster geschlossen, spielende Kinder von ihren Müttern von der Straße geholt.

Auf dem Rückweg kam mir ein Mann entgegen, barfuß, bekleidet mit einem türkisenen Frottee-Bademantel und einer Kaffeetasse in der Hand.
Wir nickten uns respektvoll, aber auch distanziert zu – warnend.
Wie sich zwei Profi-Killer zunicken würden.

Aus Paolo Coelhos „Der Alchimist“:

„Der Morgen ist klüger als der Abend.“

Sehr richtig. Der Morgen trinkt keinen Alkohol, raucht nicht und nimmt sich jedes mal vor, abends bei Zeiten ins Bett zu gehen.

Ich geh ja jetzt ab und zu schwimmen.
a) Weil man als Arbeitsloser ja sowieso nichts besseres zu tun hat und b) so aus Vergnügen halt.

Heute hab ich mir eine Schwimmbrille gekauft. Damit ich nicht immer 24 Stunden wie ein Bekiffter herumrenne, sobald meine Augen einmal Kontakt zu Chlorwasser hatten.

Im Wasser planschte vergnüglich eine Horde Rentner. Dabei hatte ich eine Zeit gewählt, in der – so vermutete ich zumindest – alle Rentner in Supermärkten unterwegs sind, um dort Arbeitnehmern, die in ihrer Mittagspause schnell was einkaufen wollen, das Leben zur Hölle zu machen.

Schnell stellte ich fest, dass eine Schwimmbrille nicht nur die Augen schützt. Nein, sie verleiht einem zudem die Fähigkeit, unter Wasser sehen zu können.

Rote Augen zu haben ist gar nicht so schlimm.

Gedanken vom Pferd – 34

Gastkolumne von Weidler

Nach einem kurzem Exkurs vom kleinen Pit über Worte wie furchtbar/fruchtbar, sterben/streben u.ä. traf mich die Erkenntnis wie ein Donnerschlag.
Die Bibel enthält einen fälschlichen Buchstabendreher.

Und beachtet man diesen, fallen Zweifel und Wirrungen von einem ab wie reife Tomaten von dem Kopf eines alten Mannes, der soeben mit welchen beschmissen wurde.
Es ist völlig klar, dass Gottes Wille die gesamte Zeit zu 100% erfüllt wurde, womit seine Existenz und Allmacht endgültig außer Frage gestellt sein dürfte:

Genesis, Kapitel 1, Vers 22 „Seid furchtbar und mehret euch.“

Sonntag Abend war ich nach Einbruch der Dunkelheit mit den Hunden im Wald spazieren. An einer Stelle, an der man normalerweise sebst bei Kaiserwetter am 1. Mai kaum Menschen begegnen würde, kam mir eine Gruppe alter Leute mit Lampion-Laternen entgegen.

Diese unwirkliche Prozession hätte mir vermutlich nen Heidenschreck eingejagt, hätte sie nicht aus einiger Entfernung bereits folgende, von einer kräftigen Männerstimme intonierte Aussage verlauten lassen:“…mir doch Worschd, wen die Amis wähle. Egal wärs wärd, es Bier gäbbt devon aa nidd billischer.“

Eine schnelle und effiziente Methode, wahnsinnig zu werden, ist, sich bei Schneefall eine Schneeflocke in der größten noch sichtbaren Entfernung auszusuchen und sie zu verfolgen.

Also, mit den Augen verfolgen.
Real verfolgen kann man die Schneeflocken dann, wenn man erfolgreich war.

Vor mir fuhr ein Rangerover an den Straßenrand und der Fahrer stieg aus. Da sich dieses Szenario direkt vor einer roten Ampel abspielte, konnte ich verfolgen, wie der Rangerover-Fahrer eine Metzgerei betrat. Sekunden später kam er mit einem kleinen Mädchen mit Schulrucksack wieder heraus. Beide stiegen in den Rangerover ein, der sich – nun hinter mir – wieder in den Verkehr einfädelte.

Als ich kurz darauf einen Blick in den Rückspiegel warf, unterhielten sich die beiden.
Folgendes Gespräch kam mir in den Sinn:

„Bitte, iss mich nicht.“
„Warum dann nitt? Ich hann disch kaaf, ich kann disch a esse!“
„Ich will nicht gekocht werden.“
„Schdell disch nitt so aaan! Es näschste mo geh ich in e annerie Metzgerei. Das is es bei denne es dritte mo, wo isch de ganze Hemmwesch vollgeheuld genn!“

Gedanken vom Pferd – 33

Gastkolumne von Weidler

In den RTL-Nachrichten war ein Bericht über den Cuxhavener Kindermörder, in dem es hieß, „…ein Pilzsammler fand Mitte August die Leiche in einem Waldstück bei…“.

Ein Pilzsammler.
Im August.
Für mich ist der Fall klar.

Da meine Mutter das Zeug im Haus benutzt, kam ich in den Genuss, den Verpackungsaufdruck eines „Brise“ Raumduft-Nachfüllpäckchens zu lesen:

…Darf nicht in die Hände von Kindern gelangen. Schädlich für Wasserorganismen, kann in Gewässern langfristig schädliche Wirkungen haben. Bei Verschlucken kein Erbrechen herbeiführen. Sofort ärztlichen Rat einholen und Verpackung oder dieses Etikett vorzeigen. Bei Berührung mit der Haut sofort abwaschen mit viel Wasser und Seife. Bei Berührung mit den Augen sofort gründlich mit Wasser abspülen und, falls Reizung andauert, Arzt konsultieren. Kann allergische Reaktionen hervorrufen…

Und das atmet man dann über Wochen ein.

Nachtrag
Andererseits kann ich an dieser Stelle mal meinen Zahnarzt zitieren, der auf die Frage, ob das Amalgam jetzt wirklich schädlich ist, antwortete:
„Wenn man Raucher ist, ist sowieso alles egal.“

Ich habe gerade eine Kellerassel gesehen, die versuchte, die Kellertreppe zu bewältigen.
Oben erwartet sie alles andere als eine kellerasselfreundliche Umwelt.
Aber das kann sie natürlich nicht wissen.
Vielleicht denkt sie sich „Mein Gott, wenn das so unendlich viel Mühe kostet, muss es am Ende doch einfach belohnt werden“.

Ich denke nicht, dass die Deutschen keinen Patriotismus mehr besitzen.
Er hat sich nur in seinem Ausdruck etwas gewandelt.
In eine Art hochnäsig-verachtende Belächelung des Patriotismus anderer.
Und das ist schön.

Gedanken vom Pferd – 32

Gastkolumne von Weidler

Ich wette, die Schwaben haben die letzten eineinhalb Monate an einer Erdbebenmaschine gebaut, weil sie es nicht akzeptieren konnten, dass Hamburg ihnen in irgend etwas voraus ist.

Und ich hab’s diesmal sogar mitbekommen: Die Teetasse auf dem Nachttisch hat selbsttätig geklappert, und ich war fast der festen Überzeugung, dass sie jetzt kommen mich zu holen.

Nachtrag:
Von spiegel.de:
Die Telefone standen nicht still. Allein bei der Polizeidirektion Freiburg gab es 230 Anrufe innerhalb von 15 Minuten.

Ich versteh die Leute ja nicht.
„klingeling klingeling“
„Polizeidirektion Freiburg?“
„Herr Kommissar! Herr Kommissar! Ein Erdbeben!“
„Ach.“

Nachtrag zum Nachtrag:
„Die Telefone standen nicht still“ ist ja auch so ein alter Erdbebenkalauer.

Unangenehme Prüfungstermine haben ihre eigene Raumzeit, die von ihnen aus in die Vergangenheit wuchert, die dort existierende vergewaltigt und verbiegt.
Sie dehnt Minuten zu Stunden und rafft im Gegenzug Monate zu Tagen zusammen.
Sie macht Freizeit unbrauchbar, in dem sie jede erfreuliche Aktivität mit Unmengen an schlechtem Gewissen behaftet. Woraufhin einem nur die Möglichkeit bleibt, unerfreuliche Dinge wie Regale feucht abwischen zu erledigen, will man sich vorm Lernen drücken.
Und wie man es dreht und wendet. Sie sorg mit tödlicher Präzision dafür, dass einem am Schluss immer exakt noch ein Tag Vorbereitungszeit gefehlt hätte.

Die Zeit unmittelbar vor Prüfungsbeginn unterliegt den grausamsten Deformationen. Sie scheint fast still zu stehen, während synchron eine Zigarette in nur wenigen Sekunden vollständig abbrennt.
Unmittelbar nach Abgabe bäumt sich der Termin noch einmal auf, um den Zeitraum bis zur Ergebnisbekanntgabe etwas zu strecken, bevor er seine Macht verliert und endlich stirbt.

Auf die Aussage „Die und die Software stürzt bei mir immer ab“ mit „Welche Version hast du?“ rückzufragen ist das informatische Äquivalent zu Schlau-in-die-Motorhaube-gucken.

Irgendein Geschichtsforscher hat laut spiegel.de jetzt wieder herausgefunden, dass Oskar Schindler doch kein so toller Mensch war – und erwartet nun offenbar eine Stellungname von Steven Spielberg.

Ich glaub, ich sollte mal beweisen, dass Odysseus auch mehr Dreck am Stecken hatte als man bis dato vermutete.
Dann fordere ich Mario Camerini, den alte Schaumschläger, auf, Stellung zu nehmen.
Und sich für sein verleumderisches Werk zu entschuldigen. Und zwar bei mir.
Falls er noch lebt. Wenn nicht, seine nächsten Angehörigen.

Und anschließend werde ich die Ausstrahlung von Camerinis „Die Fahrten des Odyseus“, der jetzt zu Weihnachten sicher wieder von Kabel1 im Momunentalfilmrausch gezeigt wird, mit gesetzlichen Mitteln unterbinden lassen.
Wegen Zurschaustellung falscher Tatsachen.

Anstatt werde ich ein zeitgemäßeres Dokumentar herstellen und senden lassen.
Nämlich

O“dick“yseus und Piercing Penelope
Die splitternackte Wahrheit über die geilen Griechen

Nachtrag
Und da ich soeben meine Liebe für den Richtigstellungs-Doku entdeckt habe, plane ich bereits für mein nächstes Projekt

Geschwister Scholl – Inzest?

Gedanken vom Pferd – 31

Gastkolumne von Weidler

Aus unserer Reihe Realitätsfremde Neujahrsvorsätze:
Auf die Aussage „Auf Fotos seh ich nie gut aus“ mit „Das hat mit Fotos nichts zu tun“ zu antworten.

Nach den Sternschnuppen, die ich gestern gesehen habe, gewinne ich am Mittwoch im Lotto, werde in bester Gesundheit alt und zufrieden, bekomme meinen Traumjob als querköpfiger Dozent in irgendwas, demnächst ne Digital-Spiegelreflexkamera, obligatorisch natürlich auch eine Traumfrau mit den fantastischsten Eigenschaften und einen Ford GT. Außerdem wird fast allen Verwandten und Bekannten ein beneidenswertes Schicksal beschieden sein. Einigen werden sehr lustige (Zumindest von außen betrachtet) Dinge passieren.
Und als ich dann nach einem Kreativitätseinbruch schon auf Standards wie Weltfrieden, ein neues Umweltbewusstsein der Menschheit sowie das Ende der Armut zurückgreifen musste, fiel mir dann auch wirklich gar nichts mehr ein.

Bleibt abzuwarten, ob nicht ein größerer und alles Leben vernichtender Meteoreinschlag, dessen Vorreiter der Sternschnuppenschauer war, meine Euphorie etwas bremsen wird.

Wer sich nie umdreht, sieht nur die Hälfte.
(Alte Spaziergängerweisheit)

Notiz an mich selbst: Zur Erhaltung der verbliebenen geistigen Gesundheit in Zukunft davon absehen, mir „2,4 Milliarden Mal pro Sekunde“ vorstellen zu wollen.

Gedanken vom Pferd – 30

Gastkolumne von Weidler

Anders als die Duschzeugwerbungen halte ich einen erfrischenden Sommerregen für die unangenehmste Form von Niederschlag. Zieht man sich Regenklamotten an, schwitzt man, lässt man es, wird man nass.
Auch stört einen zum Beispiel bei einem erfrischenden Spätherbstregen weniger, dass man sich draußen nicht mehr hinsetzen kann.

Eine der schlimmsten rhetorischen Abarten hat – so glaube ich – ihre Ursprünge in Hollywood-Drehbuchschreiber-Vorstellungen von FBI-Besprechungen. Anfällig dafür sind vor allem planlose Chefs, Politiker und Leute aus Personalabteilungen: Die Bitte um Bestätigung eines phantastischen, gerade erdachten Problemlösungs-Szenarios verbal mit „Frage:…“ zu beginnen.

Intensivieren kann man die erwünschte Wirkung noch, in dem man die kurze Pause hinter dem Doppelpunkt nutzt, um mit der Hand unter der Nase unterdrückt aufzustoßen.

-Ein Edelmann mit Ross, Rüstung und Schwert. Vor der Schlacht lässt er noch einmal den eisernen Blick über die Landschaft schweifen, die in die Geschichte eingehen wird. Hinter ihm die aufgehende Sonne.
-Ein Soldat mit Tarnfleckenanzug und Gewehr im Anschlag. Bis zum Bauchnabel im Sumpf. Sich verbissen weiter kämfpend.
-Ein Bergsteiger mit Sonnenbrille und Bart in Siegerpose auf dem Gipfel eines 8.000ers

All diese können nicht annähernd mit der Heroik konkurrieren, die ein zielstrebig dreinblickender, die Toilette anstrebender Mann ausstrahlt. In der Hand einen Pümpel.

Um so unsicherer man sich in einer Sache ist, um so wütender verteidigt man sie.

Gedanken vom Pferd – 29

Gastkolumne von Weidler

Gibt es eigentlich strafrechtlich eine Differenzierung zwischen streng, strengstens und ganz normal untersagt?

Aus unserer Reihe „Akademiker sind ihr Geld wert“:

„Die Forscher fanden heraus, dass sich die Wahrscheinlichkeit für ein Beben der Stärke sieben mit der Zeit erhöhe.“
(spiegel.de)

Ich hab gestern während ner Werbepause in diese Tierheim-Tiere-Vermittlungs-Sendung reingeschaltet. Da wurde gerade ein Hund feilgeboten, der von den Kleinkindern der Vorbesitzer-Familie misshandelt wurde. Dazu gehörte unter anderem Ohren abschneiden und starke Verätzungen auf dem Rücken.
Mal ganz abgesehen davon: Wie kommen Kleinkinder überhaupt an stark ätzendes Zeugs?

Jedenfalls macht einem das schon mal richtig Vorfreude auf die kommende Generation.

Im Grunde schwer zu verstehen, warum „bergauf“ metaphorisch generell als positiv und „bergab“ entsprechend negativ ausgelegt wird. Hätte ich die Wahl, würde ich jedenfalls bergab nehmen.
Und ein Fahrrad dazu.
Von mir aus auch ein metaphorisches.

« Older posts Newer posts »

© 2025 uiuiuiuiuiuiui.de

Theme by Anders NorenUp ↑